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Kundenbeziehungen mit Hilfe von Kundenzentrierung aufbauen | Expertenmeinungen zur Customer Centricity
Die ‘Kundenzentrierung’ ist ein wichtiges Stichwort im Kundenservice, weswegen wir Experten aus den Bereichen Marketing, CRM, Kundenberatung und Softwareentwicklung eingeladen haben, um über Customer Centricity und Kommunikationskanäle zu sprechen.
Erfolgreiche Geschäftsmodelle beruhen auf der Fähigkeit, Kundenbeziehungen aufzubauen und diese langfristig zu erhalten. Kundenzentrierung ist also ein wichtiges Thema, denn diese führt dazu, dass sowohl die Kundenloyalität als auch die Kundenzufriedenheit steigen. Letztere kann sich bei der Kundenzentrierung sogar um das Doppelte erhöhen!
In unserer Paneldiskussion auf dem OMQ Rooftop-Event hat unser CEO Sven Engelmann gemeinsam mit David Schrade von the morph company, Tim Berghoff von Userlike, Ulrich Pöhner von Greyhound Software und Aaron Rosen, ehem. Project A und Trade Republic über das Thema Customer Centricity gesprochen.
Teilnehmer unserer Diskussion sind…
Auf der strategischen Ebene:
Aaron Rosen: Als Consultant im Bereich Marketingstrategie/Growth und CRM unterstützt Aaron Unternehmen. Zuvor war er bei Project A, wo er sich am CRM, Social-Media und Marketing beteiligte. Außerdem hat er das Growth Marketing bei Trade Republic aufgebaut. Laut ihm muss Marketing immer kundenzentriert sein, was viele Unternehmen außer Acht lassen.
David Schrade: Als Gründer und Geschäftsführer von the morph company berät David Unternehmen und begleitet ihre Transformationsprozesse. Er findet, dass die Kundenzentrierung auch als ‘Mitarbeiterzentrierung’ beschrieben werden kann, wobei Mitarbeiter:innen bei jeder digitalen Transformation und Veränderung unterstützt und begleitet werden sollten. Vor der morph company hat er am Hasso-Plattner-Institut unterrichtet. Seine These: Der Mensch steht im Zentrum der Kundenzentrierung.
Auf der operativen Ebene:
Tim Berghoff: Tim vertritt das Unternehmen Userlike, welches die marktführende Software für Kundenkommunikation, mobiles Messaging und Live-Chat im deutschsprachigen Raum anbietet. Userlike bietet eine Kommunikationsplattform, mit der man über viele moderne Kommunikationskanäle mit seiner Zielgruppe in Kontakt treten kann.
Ulrich Pöhner: Uli’s Firma Greyhound Software ist eine Multichannel-Kommunikationsplattform, die ihren Fokus auf die klassischen Kommunikationskanäle legt. Greyhound ist in vielen E-Commerce-Unternehmen in Deutschland im Einsatz und besticht dabei durch viele out-of-the-box Lösungen und verschiedene Anbindungen an andere Lösungen.
Sven: Die erste Frage würde ich gerne Aaron stellen. Welche Strategien und Methoden existieren, um die Kundenzentrierung in Unternehmen voranzutreiben?
Aaron: Das ist eine sehr gute Frage, ich glaube, da müssen wir aus dem Marketing raus und uns fragen, wie das Unternehmen ganzheitlich denkt und worauf es schaut. Traditionell ist das sehr oft einfach nur die Revenue oder der Profit. Man kann sich dabei zwar herleiten: “Je besser es für den Kunden ist, desto mehr steigt diese Metrik”, aber das ist nicht zwingend der Fall.
Ich mag das Konzept einer ‘Northstar-Metrik’. Dabei überlegt sich ein Unternehmen eine Kennzahl, die nicht der Umsatz bzw. der Gewinn ist, und optimiert dann alles auf eben diese. Bei Facebook oder Instagram könnte das zum Beispiel die Zahl der Daily Active Users sein, bei Spotify die Anzahl gestreamter Inhalte. Am Ende bringen diese dann Umsatz. Bei der Northstar-Metrik fragt man sich, was den Kundenwert bringt. Das ist nicht immer direkt Geld, sondern man muss sich als Firma überlegen, woran man sieht, dass der Kunde hier einen Wert sieht. Wenn man seinen Fokus nur auf den Gewinn setzt, arbeitet man schnell gegen die Kundenzentrierung. Man erhöht Gebühren oder schaltet mehr Werbung. In Zahlen sieht das dann erstmal gut aus, hat aber einen negativen Effekt auf den Kundenwert.
Ich finde das Northstar-Metrik Konzept sehr sinnvoll, um den Fokus des gesamten Unternehmens auf eine Zahl zu lenken, was dabei helfen kann, eine Abteilung zusammenzubringen, weil dann wirklich alle das gleiche Ziel haben, wobei dieses auch mehr Inhalt hat.
Sven: David, ich habe mal den Satz: “Kundenzentrierung ist eine Kulturfrage” gelesen. Wie schafft man es, das Thema Kundenzentrierung auch wirklich in einem Unternehmen zu etablieren?
David: Ich glaube, dazu gibt es nicht die eine richtige Antwort. Warum ist es eine Kulturfrage? Also ich habe schon öfter erlebt, dass gepredigt wird: “Wir wollen kundenzentriert arbeiten” - Dann schaut man sich den Kundenservice an und es ist richtig schwierig, eine Lösung zu finden. Ob man kundenzentrierte Produkte entwickelt oder nah am Kunden ist, ist keine Budgetfrage, sondern sollte vorgelebt werden.
Ich als Mitarbeitender weiß nicht wirklich, was da von mir verlangt wird und verstehe auch teilweise nicht mehr, was meine aktuelle Arbeit mit den Kund:innen zu tun hat. Ich glaube, da sollte man Brücken bauen und schauen, wie diese Brücken und Prozesse sich verbinden. Wie diese Lernerfahrungen dann auch in die richtigen Bereiche des Unternehmens zurückgespielt werden, hat etwas damit zu tun, wie es bei den Mitarbeiter:innen angekommen ist und wie sie diese Informationen verarbeiten. Da helfen die besten Tools nicht, wenn man nicht mehr miteinander redet und die richtigen Schnittstellen im Unternehmen nicht lebendig sind. Deswegen hat das auf jeden Fall einen Kulturaspekt, ob es funktioniert oder nicht.
Der zweite Teil der Frage war, wie das geht. Rose hatte vorhin ein schönes Beispiel gebracht, wo man sowohl Technologie, als auch den Dialog miteinander verbindet. Es ist wertvoll, Daten zu sammeln und automatisierte Prozesse zu haben, um die Arbeit zu erleichtern und Dinge effizienter zu machen, aber es ersetzt auch nicht komplett das Gespräch und den Dialog mit den Kund:innen. Es gibt natürlich unterschiedliche Ansätze und Methoden, wie man diese Interviews führen kann und Erkenntnisse so aufbereitet, dass sie auf Seiten des Produktes auch weiterverwendet werden können. Ich tendiere meistens dazu, Technologie und Mensch zu Mensch miteinander zu verbinden, denn das ist meistens erfolgreich.
Sven: Tim und Uli, jetzt kommen wir wieder zur operativen Sicht. Was bedeutet für euch das Thema Kundenzentrierung?
Tim: David hat mir da eine sehr gute Vorlage gegeben. Dadurch, dass wir ja aus der Kundenkommunikation kommen, bedeutet die Kundenzentrierung für uns, dass man die Kundenkommunikation, ganz spezifisch das beidseitige Gespräch, ins Zentrum stellt. Unser Ansatz ist, dass wir den Kund:innen eine möglichst große Auswahl an Kommunikationsmöglichkeiten zur Verfügung stellen, die die Kund:innen gerne und viel nutzen. Ein Beispiel wäre die E-Mail, die im privaten Bereich kaum noch genutzt wird. Man kann sehen, welche Kommunikationsart wirklich genutzt wird und diese dann im Kundenservice anbieten.
Ich glaube, David hatte auch schon angesprochen, dass man ein Gespräch auf Augenhöhe führen sollte. Das Ziel sollte nicht sein, ein Ticket sofort schnell abzuarbeiten, denn das ist kein Erfolg. Erfolg im Kundenservice ist, dass der Kunde mit der Antwort zufrieden ist. Das Ziel sollte sein, dass ein Unternehmen nicht mit dem Gefühl in den Kundenservice geht, dass dieser gemacht werden muss und man nicht drum herum kommt. Es sollte zu einem Umdenken kommen: Der Kundenservice kann als Hebel genutzt werden, um den Umsatz aktiv zu steigern, weil man nicht auf eine reine Gewinnmetrik oder Kostenmetrik schaut, sondern guckt, welche Mechanismen man im Kundenservice nutzen kann, um dadurch dann mehr Geld zu generieren. Man stellt den Kunden in den Mittelpunkt und möchte ihm ein gutes Gefühl geben.
Uli: Kundenzentrierung ist für mich mit einer Software-Lösung, die alle Kommunikationskanäle abbildet verbunden und auch damit, dass man als Kundenservice-Mitarbeiter:in in jeder Situation über die verschiedenen Kommunikationsstränge an den verschiedenen Touchpoints Bescheid weiß. Bei vielen Unternehmen ist das oft nicht so. Da gibt es viele verschiedene Kommunikationskanäle, gerade auch im Multichannel-Vertrieb. Es gibt Marktplätze, Verkaufsplattformen, den Online-Shop, irgendwelche Social Media Kaufmöglichkeiten. Jeder Kanal hat seine Eigenart, was die Kommunikation angeht. Wenn das dann in zig verschiedenen Systemen abgebildet wird, hat man eine klassische Insellösung.
Wovon Rose heute auch erzählt hat, ist diese Schnittstelle zwischen offline und Filiale oder Point of Sale und online. Das ist bei Mister Spex ja auch sehr wichtig. So finde ich, müssen für einen Onlinehändler, der ein Pure Player im Online-Business ist, auch alle Kommunikationskanäle in seinem Verkaufsbereich in einer Plattform zusammengeführt werden, weil es nur dann möglich ist, die Wünsche des Kunden zu verstehen, ganzheitlich zu sehen und entsprechend auch die Themen der Anfragen zu klassifizieren bzw. auszuwerten. Dann kann man sehen, wie man langfristig seine Kommunikation und seinen Produktverkauf für den Kunden optimiert.
Sven: Erstmal vielen Dank für eure Eindrücke! Zum Thema “Kommunikationskanäle” möchte ich eine gewagte These aufstellen. Nehmen wir an, ich versuche mein Produkt zu zentrieren und die Kundenzentrierung in den Fokus zu setzen. Ich habe aber nicht unendliche Mittel. Aus diesem Grund überlege ich mir, meine Kundenkommunikation nur über einen Kommunikationskanal zu machen. Was würdet ihr dazu sagen?
Tim: Über einen einzigen Kommunikationskanal? Da wäre meine Frage: Geht das? Insbesondere aus der Kundensicht, denn ich als Kunde möchte ja die Wahl haben. Der eine nutzt sehr gerne WhatsApp, der andere nutzt lieber den Facebook-Messenger und ein anderer schreibt vielleicht gerne eine E-Mail oder ruft an. Theoretisch kann man nur einen einzigen Kanal anbieten, denke ich, aber das ist am Ende nicht kundenzentriert, denn jeder Kunde ist anders und möchte den Kanal wählen, der für ihn am besten funktioniert.
“Convenience is the new loyalty”, das habe ich irgendwann mal aufgeschnappt. Genau das ist auch im Kundenservice möglichst einfach umzusetzen. Es muss einfach sein, mit einem Unternehmen in Kontakt zu treten und die Anfragen gelöst zu bekommen. Da spielt die Art des Kanals eine sehr große Rolle. Ich rufe zum Beispiel kaum noch an, ich nutze WhatsApp, das habe ich immer dabei und für mich ist das convenient, aber für jemanden anderen ist es das vielleicht nicht. Deswegen denke ich nicht, dass man nur einen Kanal anbieten sollte, sondern eben möglichst viele und vor allem auch neue Kanäle. Das ist ja auch ein Problem bei vielen Unternehmen, die denken, dass Telefon und E-Mail ausreichen - am Ende macht das ein Konkurrent vielleicht besser, indem er neue Kanäle anbietet und so die Kund:innen besser abholt.
Aaron: Tim hat vollkommen Recht, am Ende sollte man eben da sein, wo der Kunde ist und das ist für jeden anders. Dann geht es ja eher darum, wie man auf jedem Kanal den gleichen Service anbieten kann. Aber bevor man fünf Kanäle schlecht macht, sollte man einen gut machen. Der einzige Fall, der mir einfällt, wo ein Kanal reicht ist, wenn man Beispiel eine App hat, in der sich alles abspielt, in der man dann auch seinen Kundenservice macht.
Uli: Grundsätzlich sehe ich das auch so wie Tim, ich muss aber ein kleines Veto einlegen. Rose hat eben ein ziemlich gutes Beispiel in ihrem Beitrag geleistet, wo die Einschränkung der Kommunikationskanäle sinnvoll sein kann. Nämlich in Peak-Situationen, die unvorhersehbar waren, wo man sich im Hintergrund einen Backlog ansammelt, was nicht mehr abgearbeitet werden kann. Das war jetzt auch bei unseren Kund:innen und Interessenten die größte Herausforderung während der Coronazeit: Durch die gestiegenen Onlinekäufe sind Servicekanäle “übergelaufen”. Ich glaube, da ist es nicht verkehrt, wenn die 1:1 Kommunikation, also der Chat, angeboten wird. Allerdings braucht man, wenn man nonstop Live-Agenten anbieten will, auch viel Personal. Ihr bei Userlike habt da sicherlich auch Tools, um das zu automatisieren und Kontakte zu verarbeiten.
Nichtsdestotrotz haben das nicht alle Unternehmen. Dementsprechend kann es manchmal sinnvoll sein, sich auf einen Kanal zu konzentrieren, um das in so einer Mega-Peakzeit vernünftig zu machen. Das hast du ja auch gerade gesagt, Aaron, bevor man fünf Kanäle anbietet, die nur halbe Arbeit leisten, sollte man besser weniger anbieten, die dann aber richtig gut sind. Es ist ja durchaus möglich, die sehr personalintensiven Kanäle wie die 1:1 Echtzeitkommunikation für den Service lockerer zu gestalten, wo dann Lösungen wie OMQ ins Spiel kommen und wo man durch Bots versucht, einfach zu bearbeitende Fragen zu filtern und den Take-Over zum menschlichen Agenten dann zu machen, wenn ein Bot nicht mehr helfen kann.
David: Ich hätte noch eine kurze Ergänzung. Ich glaube, das hängt von zwei Faktoren ab: dem Produkt und den Kund:innen. Von diesem Startpunkt sollte man natürlich ausgehen und sich fragen, was die Customer Experience ist. Wenn man ein medizinisches Produkt hat, hat man natürlich auch eine andere Erwartung an den Kundenservice als bei einem anderen Produkt. An die Customer Journey und die Customer Experience zu denken ist, glaube ich, der Startpunkt, um eine Entscheidung zu treffen, welcher Kanal sinnvoll ist.
Sven: Ich habe noch eine kontroverse Frage. Kennt ihr die Folge von den Simpsons, in der Homer nach seinen Wünschen ein Auto erstellen kann? Das ist ein totaler Flop, weil am Ende alles nach den Wünschen von einem Kunden entwickelt wurde. Wie kann ich bei der Produktentwicklung und bei der Kundenzentrierung das Problem umgehen, dass ich am Ende ein Homer-Mobil habe?
Aaron: Henry Ford hat mal gesagt: “Wenn ich die Leute gefragt hätte, was sie wollen, dann hätten sie gesagt: ‘Schnellere Pferde’.” - Das ist ja genau dieser Punkt. Ich glaube nicht, dass man von den Kund:innen erwarten sollte, dass sie einem sagen, was sie haben wollen. Und ich glaube nicht, dass man die Produktentwicklung daran ausmachen sollte, was Homer Simpson und alle anderen Kund:innen gerne hätten. Der Kontakt zu den Kund:innen ist super wichtig, um Probleme zu erkennen. Bei der Lösung sollte man aber nicht auf die Kund:innen hören, sondern muss einen Schritt voraus sein, selber weiterdenken und Ideen haben.
Die Inspiration kommt von den Kunden, indem man sie beobachtet und sieht, dass es an einer Stelle Probleme gibt, aber der nächste Schritt muss im Unternehmen selber passieren. Am Ende entwickelt man dann auch tausende Features, nach denen eine Person gefragt hat, dann wird das ganze Produkt schlechter dadurch und wird zum Homer-Mobil, was kein Mensch haben will. Da muss man sich selbst dessen bewusst sein, was der Fokus ist. Man hört, was die Menschen sagen, darf seine eigene Vision aber auch nicht vergessen. Man kann ja auch nicht jeden Kunden glücklich machen. Wenn ich versuche, das perfekte Produkt für jeden zu machen, dann ist es auch für jeden schlecht.
Tim: Ich denke, das trifft es auch ganz gut. Mein Beispiel wären wieder die Messaging-Kanäle. Ich kann mich erinnern, wie damals in der Schule in der Mensa jemand schon ein WhatsApp hatte. Das war total cool, weil man da auch Bilder schicken konnte und nicht nur SMS. Da hat ja auch niemand gefragt: “Wie würdet ihr gern in Zukunft kommunizieren?”, sondern da hatte jemand eine Idee, hat vielleicht ein Problem gesehen und etwas umgesetzt und das hat sich als beliebteste Kommunikationsart durchgesetzt. Da hat kein Kunde proaktiv gesagt, dass er das gerne so hätte. Auch wir bei Userlike haben uns angeschaut, was denn die beliebteste Art zu kommunizieren ist und sind zum Ergebnis Chat-basierte Kommunikation gekommen. Kund:innen können einem auch durch ihr Verhalten relativ gut zeigen, was sie gut finden.
Sven: Also ich glaube ich könnte über Kundenzentrierung noch mehrere Stunden mit euch sprechen, aber leider ist auch unsere Zeit begrenzt. Danke für die Zeit, die ihr euch genommen habt.
Was denkt ihr?
Ihr habt unsere Experten gehört, aber vielleicht habt ihr ja ganz andere Meinungen zum Thema Kundenzentrierung. Schreibt uns gerne, wenn ihr noch einen Einfall habt! Wenn ihr mehr über uns, unsere Produkte oder unsere Vision erfahren wollt, könnt ihr uns gerne kontaktieren oder eine Demo mit uns vereinbaren. Wir freuen uns auf euch! :)