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Chatbots und KI - Wie viel Science Fiction steckt in unserem Alltag?
Sven Engelmann von OMQ im Interview zum Thema Chatbots und Künstliche Intelligenz im Alltag beim Podcast Springender Punkt der WBS Akademie.
Unser CEO Sven Engelmann war am 14. November zu Gast beim Podcast “Springender Punkt” der WBS Akademie. Helena Stelzer und Lottie Cobler interviewten Sven zum Thema Künstliche Intelligenz in unserem Alltag. Wir haben uns sehr gefreut bei der Podcast-Reihe rund um Digitalisierung, New Work und Wissenstrends, eingeladen gewesen zu sein.
Im täglichen Leben sind Roboter und Künstliche Intelligenz schon mehr Realität als Fiction und nicht mehr wegzudenken. Es gibt Chatbots statt Call Center Agents und Algorithmen, die statt eines langes Mailverkehrs eingesetzt werden. Ein antwortendes Kontaktformular, ein dynamisches FAQ, selbstantwortendes E-Mail System, unterstützendes Ticketsystem und ein helfender Chatbot gehören für OMQ schon längst zur Tagesordnung. Trotzdem war Sven noch nicht als Hologramm, sondern klassisch als Gast im Tonstudio.
OMQ erspart Kunden Zeit und Aufwand. Kannst du dich erinnern, wann du das erste Mal mit KI in Berührung gekommen bist?
Viele von uns kamen bereits vor mehr als 20 Jahren das erste Mal mit Künstlicher Intelligenz in Kontakt. Ein sehr bekanntes Beispiel fand 1996 statt, als Schachweltmeister Kasparow von einer KI geschlagen wurde. Das Thema war damals in allen Medien und wurde stark gehypt. Das Problem war dabei allerdings, dass die komplette Infrastruktur noch nicht zur Verfügung stand. Das heißt: Die Rechenpower, robuste Systeme und der größte Punkt Daten, fehlten einfach noch. Die Daten lagen zu dieser Zeit nur in analoger Form vor und konnten nur schwer digitalisiert werden.
Danach gab es erst vor 4 bis 5 Jahren einen weiteren großen KI-Evolutionsschritt. Beim sehr komplizierten Brettspiel “Go” wurden Spieler von einer Künstlichen Intelligenz besiegt. Mit fortschreitender Digitalisierung sind also erst so viele Daten vorhanden, dass eine Künstliche Intelligenz so trainiert werden kann, dass man große und schnellere Schritte als früher gehen kann.
Was hat dich dazu bewogen: “Ich gründe jetzt meine eigene Firma, die sich genau mit diesem Thema beschäftigt?”
OMQ entstand durch unseren CEO Matthias Meisdrock, der vor mehr als 10 Jahren an einem Projekt in einer Firma arbeitete und dort einen Schreibtisch bekommen hatte. Dieser war direkt neben dem Kundenservice und in den Pausen unterhielt er sich oft mit den Mitarbeitern aus dem Kundenservice. Die waren sehr genervt, da sie jeden Tag die gleichen Anfragen beantworten mussten. Ein System, was ihnen die Arbeit erleichtern konnte, gab es damals nicht. Und so kam Matthias auf die Idee mithilfe von Künstlicher Intelligenz Serviceanfragen automatisch zu beantworten - das war die Initialzündung von OMQ.
Sehr spannend und sehr lösungsorientiert, dass der Kollege die Initiative ergriffen hat. Ihr arbeitet ja auch relativ viel mit Chatbots. Wie würdest du denn jemanden, z. B. meiner Mama, unser treuen Hörerin, in einfachen Worten erklären, was ist ein Chatbot? Was kann man sich darunter vorstellen?
Beim Thema Chatbot müssen wir auch wieder weiter zurückblicken. Ein großes Symbol für den Chatbot oder das Thema der Avatare war damals die Kollegin “Anna” von IKEA. Das Problem war zu dieser Zeit, dass die Idee der Avatare zwar gut war, aber die technische Umsetzung war noch nicht komplett realisierbar. Zumindest hat es noch nicht in dem Maße funktioniert, wie es sich die Leute vorgestellt hatten. In den letzten 4 bis 5 Jahren wurde das Thema Chat allerdings wieder modern. Die Idee war andere Kommunikationskanäle zu entlasten. Allerdings war das Problem, dass keine anderen Kommunikationskanäle entlastet wurden, sondern ein neuer Kanal kam hinzu. Dadurch wurden auch neue Kunden adressiert, die sonst gar nicht mit dem Unternehmen in Kontakt getreten wären. Gleichzeitig sind nicht so viele Leute da um den Chat zu bedienen und den Chatbot von der Website entfernen, will man aber auch nicht.
Deshalb läuft der Chat jetzt automatisch mit intelligenten Systemen. Der Kunde ist zufrieden, wenn der Chatbot auf einfache, wiederkehrende Anfragen reagieren kann. Bei tieferen Anfragen, die nicht realisierbar sind, werden in der Regel Mitarbeiter zugeschaltet. Bestimmte Themen sollen nicht von der Maschine beantwortet werden.
Welche anderen Produkte außerhalb der Chatbot-Technologie gibt es? Wofür wird die KI noch genutzt?
Künstliche Intelligenz mit dem Kundenservice zu verbinden, ist gerade das Hype-Thema. Der Chatbot ist dabei omnipräsent. Wir sehen das etwas globaler. Mithilfe von intelligenten Systemen kann man alle Kommunikationskanäle unterstützen. Neben dem Chat, dem vorgelagerten virtuellen Agenten, gibt es auch andere wie z. B.:
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Selbstantwortende Kontaktformulare (OMQ Contact): spielen passende Antworten direkt beim Eintippen aus
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Dynamische FAQs (OMQ Help): erkennen momentan relevante Themen und zeigen die wichtigsten Themen an 1. Stelle → der Kunde bekommt direkt die passende Antwort, wenn er auf die Website geht
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automatische E-Mails (OMQ Reply): die gleich die passenden Antworten rausschicken
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oder auch der Servicemitarbeiter, der bei seiner täglichen Arbeit mit KI unterstützt wird (OMQ Assist) → Prozesse können schneller vollzogen werden
Der Kunde erhält dadurch viel schneller seine Antwort und muss nicht lange suchen bzw. nicht 3 Tage auf die Antwort warten. Die Kundenzufriedenheit steigt und das Frustrationslevel sinkt.
Unsere KI am Kundenbeispiel eines Brillenshops erklärt: Ein Kunde hat das Problem, dass sein Nasenpad der Brille kaputt gegangen ist. Allerdings kennt der Kunde das Wort “Nasenpad” gar nicht und probiert sein Problem zu beschreiben.
Er schreibt zum Beispiel: “Der Gummi von meiner Brille ist abgefallen.”
Unser System hat durch die Interaktion mit dem Kunden das Wort “Gummi” gelernt, das gibt es noch nicht in der Datenbank. Die KI versucht das Wort einzuordnen und konnte durch bestimmte Mechanismen identifizieren, dass es ein anderes Wort für “Ersatzteil” bzw. “Nasenpad” sein muss. Die Fragen des Kunden können außerdem interpretiert werden. Wenn der Kunde auf die Website geht und seine Frage eintippt, erhält er die Info, wie man ein Ersatzteil erhält und gleichzeitig auch, wie man die Brille reklamieren kann. Somit wird die Intention des Kunden identifiziert.
Vereinfacht gesagt ist Künstliche Intelligenz ein System, das aus verschiedenen Beispielen selbstständig ein Muster erkennt. Es ist also ein komplexes System, das flexibel neue Wörter und Themen lernt und diese interpretieren kann. Wenn z. B. der “Nasengummi” in Prenzlauer Berg nicht mehr der Trend ist, sondern ein Bügel, der beide Nasengummis verbindet, muss das System flexibel genug sein und verstehen, dass es nicht mehr um das “Nasengummi” geht, wonach der Kunde fragt. Die Kommunikation hat sich geändert, da der Kunde plötzlich etwas ganz anderes möchte, was nichts mehr mit dem Ersatzteil zu tun hat.
Wie schnell lernt der Chatbot?
Unser Chatbot lernt über mehrere Servicekanäle. Es ist ungünstig, wenn ein Chatbot nur über einen Kanal lernt, da alle Kommunikationskanäle wichtig sind.
Unsere Philosophie: Wir lernen und antworten über alle Kommunikationskanäle.
Wenn der Kunde im Kontaktformular viel Text eingibt, gibt es sehr viele Informationen, die genutzt werden können. Im Chat dagegen gibt es immer weniger Infos, der Lerninput ist sehr gering. Aus dem Grund gibt es oft Probleme andere Chatbots einzuführen, da zum einem zu geringe Lerndaten vorhanden sind, und der Chatbot hat dann auch nicht alle Informationen zur Verfügung um jede Frage zu beantworten. Daher lernen wir über das Kontaktformular, den Chatbot, das dynamische FAQ, automatische E-Mails und das passive Lernen durch den Servicemitarbeiter. Bei allen Kanälen wird gelernt und das Wissen steht allen Kommunikationskanälen zentral zur Verfügung.
Beispiel: Über das Kontaktformular lernt das System, dass “Gummi” ein anderes Wort für “Nasenpad” ist. Gleichzeitig weiß auch der Chatbot was mit “Gummi” gemeint ist und dass der Kunde seine Brille reklamieren möchte.
Weitere Einsatzgebiete für Künstliche Intelligenz außerhalb des Kundenservices
Künstliche Intelligenz ist sehr stark in der Mustererkennung. Wir verwenden KI in der Spracherkennung, aber es gibt auch noch verschiedene andere Teilbereiche. Wenn z. B. der Kunde ein Problem mit seinem Nasenpad hat und das auch kommuniziert, könnte im Hintergrund schon das Warenwirtschaftssystem laufen und proaktiv wird dem Kunden direkt ein neues Nasenpad zugeschickt ohne großartigen Aufwand. Generell können mit KI also bestimmte nervige Prozesse, die im Unternehmen existieren, automatisiert werden. Es geht dabei immer um den Faktor wiederkehrende Prozesse und Themen, um Standardisierung oder Optimierung zu entwickeln.
Effizienzsteigerung durch Automatisierung sozusagen?
Im 1. Podcast von “Springender Punkt” wurde Christian Milster (Teamleiter E-Commerce der WBS Akademie) zum Thema E-Commerce interviewt. Dort war die Rede, dass Künstliche Intelligenz und E-Commerce zusammengehören und dass man dort den Kundenservice mit KI optimieren kann.
Wir schließen jetzt glaub ich den längsten Cliffhanger in der Podcast-Geschichte.
Jetzt sind wir tatsächlich an dem Punkt, dass viele Kunden von uns auch aus dem E-Commerce-Bereich kommen und natürlich viele wiederkehrende Serviceanfragen haben, wie z. B. :
- “Ich habe mein Passwort vergessen.”
- “Wann kommt meine Bestellung?”
- “Wie kann ich meine Bestellung retournieren?”
Genau das was Christian angesprochen hat, führen wir heute fort.
Man hat schon den Eindruck, dass Chatbots das neue Ding sind und viele springen auf den Zug mit auf und wollen jedenfalls irgendetwas mit KI machen. Macht KI für jedes Unternehmen Sinn?
Irgendwas mit KI ist ein guter Einstieg. Wir bekommen oft Anrufe von Abteilungsleitern, die uns fragen:
Mein Chef hat gesagt, wir sollen irgendwas mit KI machen. Haben Sie da was? Meine Antwort darauf ist meistens: Geschnitten oder am Stück?
Das Problem ist, dass man zuerst bestimmte Ziele definieren sollte und wissen muss wo man mit Künstlicher Intelligenz hin will. KI ist ein breit gefächertes Thema, die Einsatzmöglichkeiten sind sehr vielfältig aber es gibt auch Grenzen. Bestimmte Grenzen können nicht durchbrochen werden, weil es auch logische Probleme gibt.
Was wäre so eine Grenze, die man nicht durchbrechen sollte?
Das erklärt sich am besten mit einem Kundenbeispiel aus dem E-Commerce: “Passt das bestellte Sofa durch meine Tür?” Durch Interpretation wissen wir, dass der Kunden wissen will, wie groß die Abmaße von bestimmten Waren sind. Wir wissen aber nicht, wie groß seine Tür ist. Das ist eine logische Grenze. Daher muss das Thema skeptisch betrachtet werden. Die Entwicklung intelligenter Systeme ist zwar schon sehr weit, aber es handelt sich noch lange nicht um ein “eigenes Bewusstsein”, wie es teilweise als Hype aufkommt. Es geht immer noch um Mustererkennung. Ein gehyptes Thema wird schnell zur Hysterie. Da entfernt man sich schnell vom Logischen und bei KI weg von der Logik zu gehen, ist der größte Fehler, den man machen kann.
Das erinnert mich gleich an einen Begriff, der mir untergekommen ist. Und zwar das Phänomen “uncanny valley” zu dt. “unheimliches Tal”. Im Grunde geht’s darum, dass sich viele Menschen gruseln, wenn KI oder Roboter Menschen zu ähnlich werden, wie man es vielleicht aus manchen Science Fiction Filmen kennt. Wie stehst du dazu? Würdest du sagen, es gibt viele Menschen, die sich davor fürchten sollten?
Da sind wir noch lange nicht. Bei KI befinden wir uns noch im Entwicklungsprozess. In Forscherkreisen wird gesagt, KI ist nur ein Arbeitstitel. Vor einigen Jahren wurden Kameras, die die roten Augen entfernen konnten, als KI verkauft. Heute würde jeder sagen, das ist ein Standardfeature. Der Mensch hat starke Skepsis vor der technischen Entwicklung. Wir probieren daher auch nie menschliche Züge zu imitieren. Wenn unsere KI in einem Chatsystem integriert wird, ist für den Kunden immer sichtbar, dass er gerade mit einer Maschine redet.
Wir wollen keinen Menschen imitieren - das ist uns ganz wichtig.
Man darf dem Kunden nie das Gefühl geben, dass er eine pseudo-menschliche Antwort bekommt. Das ist im Kundenservice sehr problematisch. Es gibt dort ein hohes Frustrationslevel, wenn der Kunde z. B. ein Problem hat und nur eine Standard-E-Mail vom Mitarbeiter erhält, die im schlimmsten Fall gar nicht passt. Dann geht der Kunde als Nächstes auf die Facebook-Seite und schreibt einen Hasskommentar auf die Pinnwand der Firma. Man sollte deshalb immer offen damit umgehen, ob der Kunde gerade mit einer Maschine oder einem Menschen spricht.
Kannst du uns da einen kleinen Einblick oder Ausblick geben. Arbeitet ihr gerade an neuen Software-Lösungen? Darf man da schon ein bisschen was verraten?
Wir arbeiten bei OMQ ständig an neuen Software-Produkten. 2019/ 2020 ist bei uns die Integration in Drittsysteme sehr stark. Wir versuchen, noch mehr Prozesse zu automatisieren, wie zum Beispiel vom Kunden abgefragte Informationen, die dann mit ins Warenwirtschaftssystem einfließen. Ein weiterer Schritt ist die direkte Platzierung von Informationen aus Drittsystemen. Wenn der Kunde fragt: “Wann kommt meine Bestellung?”, will er nicht eine Standardantwort in 3 Tagen erhalten. Sondern er will sofort den genauen Zeitpunkt wissen, wann seine Bestellung ankommt. Die einzelnen Unternehmen müssen involviert werden und es muss geklärt werden, wie man Trackinginformationen beschafft und platzieren kann. Für OMQ ist es wichtig, dass die Antworten stärker individualisiert sind. Dieses Thema ist besonders für die nächsten Jahre sehr relevant.
Das ist ein ganz toller Ausblick. Wir werden auf jeden Fall gespannt sein, mit welchen KI’s oder Chatbotsystemen wir auch noch zu tun haben werden. Vielen Dank, dass du im Studio warst!
Wenn Sie mehr über uns und unserer Technologie erfahren wollen oder die Software mal in Aktion sehen möchten, kontaktieren Sie uns gern :)